Der Netzwerkausrüster Alcatel-Lucent ist nach der Restrukturierung wieder gut aufgestellt, so CEO Michel Combes. Nun sei die Politik gefragt, für globale Regeln zu sorgen.
Lang hat die EU-Kommission mit chinesischen Netzwerkausrüstern gestritten. Dumpingpreise sind zwar vom Tisch, jetzt geht es um unerlaubte Beihilfen. Können europäische IT-Unternehmen noch mithalten?
Michel Combes: Egal, ob es sich um Hersteller aus China oder den USA handelt, meine Pflicht ist es sicherzustellen, dass Alcatel-Lucent wettbewerbsfähig ist. Am Ende des Tages wählen Kunden aufgrund von Innovation, Leistung und Kosten. Wir haben unseren Teil erledigt. Jetzt ist die Politik gefragt. Ich will im gleichen Spielfeld spielen wie unsere Konkurrenten.
Um welche Spielregeln geht es Ihnen?
Zum Beispiel um die Finanzierung. Es ist doch offensichtlich, dass es in manchen Regionen der Welt leichter ist, an Kapital zu kommen. Die Politik ist gefragt, die gleichen Finanzierungsmöglichkeiten, den gleichen Respekt vor Gesetzen und ähnliche Regulierungen auf den Märkten sicherzustellen.
Aber wie realistisch ist eine Harmonisierung der Regeln?
Ich denke, es ist durchaus realistisch. Vor einiger Zeit habe ich mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gesprochen. Es gibt Verständnis. Aber ich bin nicht naiv, Verhandlungen brauchen Zeit und es braucht ein Zeichen der Stärke. Ich habe öffentlich gefordert, gemeinsam einen digitalen Markt zu schaffen-auch mit Mitteln aus dem Juncker-Plan. Wie kann es sein, dass wir in Europa immer noch einen fragmentierten Markt haben? Wenn wir so weitermachen, kann kein Unternehmen Größenvorteile nutzen. Gemeinsame Regeln sind wichtig. Wir wollen doch in einer Welt leben, in der Standards nach oben geschraubt werden und nicht nach unten.
Standards und Regeln werden doch von der Wirtschaft kritisiert. Es bringe keine Wettbewerbsvorteile.
Europa hinkt in der Transformation zur digitalen Wirtschaft hinterher. Die Digitalisierung findet nun auf Produktebene statt. Denken Sie an den Gesundheitsbereich oder an vernetzte Autos. Das wird die gesamte Industrie verändern und ermöglicht enormes Wachstum. Das erfordert eine gemeinsame digitale Agenda, wie es sie bereits in den USA und in China gibt. Es muss bestimmt werden, welche Investments es in digitale Infrastruktur braucht, das ist das Nervensystem für die künftige Wirtschaft. Es muss festgehalten werden, welche Regulierungen Wachstum ermöglichen, welche Steueranreize Innovationen antreiben und wie das Wettbewerbsrecht verändert werden kann.
Welche Änderungen schweben Ihnen vor?
Mit einem starken Fokus auf die Kunden ging es in Europa darum, Monopole zu brechen. Das war vermutlich auch notwendig. Heute müssen die Regelungen sicherstellen, dass sich kleine und große Unternehmen entwickeln und der außereuropäischen Konkurrenz etwas entgegensetzen können. Europa muss aufwachen. Wir sind die einzige Region auf der Welt, in der das Wettbewerbsrecht als Verkaufswerkzeug angesehen wird. Überall anders ist es ein Werkzeug der Wirtschaftspolitik.
Wie schnell lassen sich diese Veränderungen umsetzen, wenn man bedenkt, dass bereits die Basis-der Breitbandausbau-in Europa noch einiges an Zeit braucht. In Österreich fließen im ersten Jahr 300 Millionen € Förderungen, das wirkt nach einem Tropfen auf den heißen Stein.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Finanzierung das größte Problem ist. Denn Geld ist da. Es gibt private Investoren, aber sie gehen nur ins Feld, wenn die Rahmenbedingungen klar sind und wenn das Risiko entschärft wird. Das sind wichtige Anreize, Förderungen sind nur zusätzliche Mittel, die die Entwicklung etwas anschieben können.
Von den Investitionen werden auch Sie profitieren?
Natürlich werden wir von diesen Investments profitieren. Aber es geht darum sicherzustellen, dass die gesamte Wirtschaft digital wird. Nicht nur in den USA und in China, sondern auch hier.
Kommen wir zu Alcatel-Lucent, das Unternehmen hat zuletzt stark gelitten, auch unter der chinesischen Konkurrenz. Wie steht es aktuell ums Unternehmen?
Ich habe das Unternehmen vor zwei Jahren in einer schwierigen Situation übernommen. Alcatel-Lucent war beinahe bankrott. Deshalb haben wir einen Transformationsprozess eingeleitet und sind in einigen Bereichen sogar wieder Marktführer. Im vierten Quartal 2014 waren wir das erste Mal seit dem Zusammenschluss von Alcatel und Lucent 2006 profitabel und streben bis Ende 2015 einen positiven Cashflow an. Wir sind wieder im Spiel und beginnen nun das zweite Kapitel der Restrukturierung. Nach dem Mitspielen geht es jetzt ums Gewinnen. Das heißt auch, Innovationen zu beschleunigen.
Wie sieht es mit den Forschungsausgaben aus? Sie mussten zur Restrukturierung harte Einschnitte vornehmen.
Wir haben bei der Restrukturierung überall Kosten eingespart, außer bei der Forschung. 20.000 Ingenieure sind in der Forschung und Entwicklung tätig. In einigen Bereichen, wie IP, Ultrabreitband oder der Cloud, haben wir die Ausgaben erhöht. Zusätzlich haben wir Forschungsbereiche für Partner geöffnet. Diese bringen frisches Geld. Um innovativ zu bleiben, haben wir zudem einige zig Millionen € in Start-ups investiert. Das ist noch nicht viel, aber wir haben 30 Investments, auch in IT-Sicherheitsunternehmen. Es geht darum, die Netzwerke der Zukunft belastbar zu machen.
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