2016-08-19

"Welche europäische IT-Infrastruktur wollen wir?" - ein Gespräch mit Alpbach-Direktor Philippe Narval und IT-Unternehmer Marcus Weixelberger

Narval (li.) und Weixelberger im Gespräch: cc Michael Fasching.


KMU sind mit der Digitalisierung noch überfordert, sind sich Marcus Weixelberger, Geschäftsführer Gekko IT-Solutions, und Philippe Narval, Managing Director des Forum Alpbach, einig. Für Innovationen brauche es aber auch mehr Investitionen in die IT.





Sie beschäftigen sich als Geschäftsführer eines IT-Unternehmens und des Forums Alpbachs unter anderem mit dem Thema Nachhaltigkeit. Wie nachhaltig ist denn die heutige IT?

Marcus Weixelberger: Nachhaltigkeit muss man definieren. Oft gelten Produktzyklen als das Nachhaltige. Kommt eine neue Produktgeneration, ist die vorangegangene veraltet.
Ist es also nachhaltig, wenn ein Produkt ein Jahr lang hält, oder muss ein PC möglichst lang halten. Dann besteht aber die Gefahr, dass das Unternehmen den Kontakt zum Wettbewerb verliert.

Philippe Narval: Es gibt mittlerweile aber bereits ein Verständnis, was IT im Sinn des Ressourcenverbrauchs bedeutet. Es ist außerdem die Sensibilität gewachsen, dass eine Suchanfrage nicht nur eine Kette von Rechenleistungen auslöst, sondern auch Energie verbraucht.

Die große Frage ist aber, welche europäische IT-Infrastruktur wollen wir. Auch das ist eine Frage der Nachhaltigkeit. Wollen wir Strukturen aufbauen, die langfristig auf unsere Kultur abgestimmt sind, oder wollen wir die schnellen Lösungen aus dem Silicon Valley. Da brauchen wir eine breite Diskussion.

Wie ist die Situation in Österreich und speziell im Unternehmensumfeld?

Weixelberger: Die IT ist in unser aller Leben eingedrungen. Heute will niemand mehr auf sein Smartphone verzichten. Das Businessumfeld ist aber fünf bis zehn Jahre hinterher, Office 2007 wird immer noch verwendet.
Narval: Es gibt in Österreich eine grundsätzliche Skepsis, was neue Werkzeuge betrifft. Wir müssen deshalb in der Bevölkerung ein Grundverständnis schaffen, was die Möglichkeiten der Technologie betrifft, aber auch, was geschützt werden muss.

Es braucht also ein breiteres Verständnis und mehr Interesse?

Weixelberger: Als IT-Outsourcer erleben wir, Unternehmen sind mit der Digitalisierung überfordert. Welchen Stellenwert hat die IT im Unternehmen? Muss sie funktionieren, geht es also nur um den Betrieb. Oder ist die IT ein strategisches Instrument der Geschäftsführung oder gar ein Innovationsinstrument. Ein klassischer IT-Leiter, der den Betrieb sicherstellt, lässt sich nicht in einen Innovationsprozess integrieren. Das scheitert.

Viele Unternehmen wissen aber nicht, wem sie in dieser Situation vertrauen können, den eigenen Mitarbeitern oder doch dem externen Zulieferer. Soll nun ein neues Betriebssystem installieren werden? Viele halten es wie mit einem Auto, solange es fährt, braucht man es nicht ersetzen. Ist das so falsch? IT soll funktionieren, man kann doch nicht von jedem KMU erwarten, dass es selbst Software entwickelt.

Narval:
Hier gibt es zwei Ebenen. Ja, die IT muss funktionieren. Aber wenn man sich nicht mit einem breiteren Fokus dem Thema stellt, kann es schnell passieren, dass das Geschäftsmodell von heute auf morgen nicht mehr existiert.
Philippe Narval: cc Michael Fasching.
Unternehmen müssen sich fragen, wie sich die Logik des Marktumfelds ändert und wo die neuen Wettbewerber herkommen.

Das gilt für jede Organisation, auch für das Forum Alpbach. Teilbereiche unserer Arbeit wurden ebenfalls übernommen, je mehr man aber im digitalen Silo festsitzt, desto stärker wird auch der menschliche Kontakt gesucht. Also grundsätzlich geht es nicht um die Frage, wann update ich meinen Server, sondern wie gelingt es mir als KMU, den internationalen Markt zu bespielen.

Weixelberger: Das halte ich für immens wichtig. Es gilt herauszufinden, wo ich mit der Digitalisierung hinwill, um zu entscheiden, wo und in welchem Zeitraum ich investiere. Erst dann kann ich auch eine vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen. Ein Beispiel: Nur weil ich Briefe einscanne, heißt es noch nicht, dass es dem Unternehmen auch etwas bringt.

Das muss man erst diskutieren und die Arbeitsprozesse neu ordnen. KMU sind davon oft überfordert. Als IT-Unternehmen sind wir es gewohnt, uns neu zu erfinden. Wir sind permanent dabei umzustrukturieren und haben immer einen externen Organisationsentwickler an Bord. Wenn aber traditionelle Betriebe sich neu erfinden, müssen sie vielleicht auch die Produktionsstraße umbauen. Das kostet viel Geld, bringt die Unternehmen aber wieder auf den richtigen Weg.

Narval: Stimmt. Die Gespräche sollten sich an der Frage orientieren, was kann die Digitalisierung für das Rückgrat der Wirtschaft tun? Für die KMU. Wir bekommen laufend Neuigkeiten aus der Start-up-Blase.
Die jungen Unternehmen brauchen wir auch, aber gleichzeitig benötigen wir auch die Erzählungen, wie die digitale Transformation in traditionelleren Branchen funktioniert. Denn was Start-ups machen, ist für viele KMU nicht anschlussfähig.

Beim Thema Innovation wird also zu wenig an die IT gedacht. Welche Überlegungen werden stattdessen angestellt?

Marcus Weixelberger: cc Michael Fasching.
Weixelberger: Der Leidensdruck muss sehr groß sein, damit etwas getan wird. Unternehmen investieren ungern in IT, weil es zuerst Mehrkosten verursacht. Selten wird gesagt, ich will produktiver werden, deshalb investiere ich. Unternehmen müssen aber selbst wissen, wo die Hebel sind. Als Dienstleister kann man dann die richtigen Lösungen anbieten. Das soll nicht dazu führen, Arbeitsplätze abzubauen, sondern den Betrieb nachhaltig zu sichern.

Narval: Wir sehen eine noch nie da gewesene Entwicklung, selbstlernende Maschinen. Die Roboter verlassen die Maschinenhalle und sind plötzlich am Flughafen-Check-in oder an der Supermarktkasse. Dann ist ein Arbeitsplatz weg. Wir brauchen aber die Diskussion über Chancen, beispielsweise für die Exportindustrie.

Und wenn es in einigen Branchen, wie in der Logistik, zu diesen Umbrüchen kommt, sind Politik und Gesellschaft gleichermaßen gefordert. Jetzt den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen, es wird alles im Silicon Valley entschieden ist absoluter Blödsinn. Wir können auch in Europa in einigen Bereichen führend sein. Zum Beispiel beim Kommunaldienstleisterangebot.

Aber gerade bei der Frage nach Jobs sind die Fronten doch verhärtet.

Narval: Wir haben in Österreich eine ideologiegetriebene Diskussion. Wenn einmal einer eine Frage stellt, wird er von der anderen Seite angeschossen. Wir müssen uns in Österreich die Datenlage ansehen.


ieser Artikel erschien zuerst im WirtschaftsBlatt.

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