2014-07-18

Innovationen harren im Wartezimmer

Novartis forscht mit Google an einer smarten Linse, Bild:Novartis 
Mit Apps und Fitnessgeräten hat die Digitalisierung im Gesundheitsbereich an Fahrt gewonnen. Nun müsse weiter investiert werden, um Wertschöpfung nicht zu verlieren.


Wien. Die mediale Aufmerksamkeit war groß, als der Pharmakonzern Novartis diese Woche angekündigt hat, an einer intelligenten Kontaktlinse zu arbeiten. Mit Google-Technologie soll die Linse helfen, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren und bei Altersweitsichtigkeit die natürliche Fokussierung des Auges wiederherzustellen. Das Marktpotenzial sei erheblich, hieß es in einer Aussendung:
Weltweit leiden immerhin 382 Millionen Menschen an Diabetes, für den Pharmakonzern eine erhebliche Zielgruppe. Bis die Kontaktlinse auf den Markt kommen kann, wird aber noch einige Zeit vergehen. Es sei eine Sache von Jahren, nicht von Monaten, sagte Novartis-Chef Joseph Jimenez.


Mehr Dynamik


Informations-und Kommunikationstechnologie wird gerade bei Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten eine enorme Bedeutung beigemessen. Aber erst seit Kurzem gewinne die Branche durch Impulse auf dem sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt deutlich an Dynamik, heißt es in einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Deloitte. Zum zweiten Markt zählen rein privat finanzierte Gesundheitsprodukte,-dienste und-applikationen.

Die Bedeutung zeigt sich am Erfolg von Apps wie dem Diabetes-Tagebuch Mysugr, aber auch am Einstieg von Apple und Google. Sie haben vor Kurzem angekündigt, Gesundheitsplattformen in ihre mobilen Betriebssysteme zu integrieren. "Wir sehen mit diesen Vorstößen unser Potenzial bestärkt", sagt Bernhard Schandl, CTO von Mysugr. Das Wiener Unternehmen ist mit einer Diabetes-App bekannt geworden und hat vor einigen Monaten bereits die 100.000-Nutzer-Marke überschritten. Aktuell arbeitet das Unternehmen am Relaunch, um für die großen Plattformen gerüstet zu sein.

Von einer stärkeren Dynamik spricht auch Hannes Raffaseder, Leiter des Instituts für Creative Media Technologies der Fachhochschule St. Pölten. Als Projektleiter arbeitet er gerade an der Etablierung eines Studienschwerpunkts zum Thema "Digitale Gesundheitsversorgung". Die Auswertbarkeit von großen Datenmengen, neue spielerische Ansätze, sinkende Kosten für Hardware und die gestiegene Qualität eröffnen gerade im Gesundheitsbereich neue Chancen. "Die Digitalisierung wurde bisher in Teilbereichen der Auswertung von Gesundheitsdaten umgesetzt, jetzt geht es sukzessive in die Vorsorge und Therapie", so Raffaseder. Neben den verbreiteten Fitnessmessgeräten zur Selbstkontrolle könnten E-Health-Lösungen also künftig auch in der Physiotherapie eingesetzt werden, so Raffaseder.

Umsetzung hapert


"Der Weg von der Grundlagenforschung bis zum Prototyp funktioniert recht gut. Nur der letzte große Schritt ist schwierig", sagt Raffaseder. Das bestätigt auch Michaela Fritz, Leiterin der Health & Enivronment-Abteilung des Austrian Institute of Technology (AIT): "Technisch ist es kein Problem, jetzt braucht es eine Entscheidung, wie die Technologieeinführung finanziert wird", sagt Fritz. Diese Entscheidung müsse getroffen werden, so Raffaseder. Ähnlich wie in der Musikbranche oder im Buchhandel werden auch hier die Wertschöpfungsketten grundlegend verändert, man dürfe nicht den Anschluss verlieren, so der Experte. Der Bereich Ambient Assisted Living-Telemedizin ist bei der Assistenz für ältere Menschen besonders wichtig-sei sogar noch technologielastiger, sagt Fritz. Die Industrie sei interessiert, keiner wolle den Zug verpassen, so Fritz, und doch wird es noch etwas dauern, bis die Lösungen am Markt ankommen. Es gehören auch Datenschutz-und Sicherheitsbedenken geklärt. Im Gesundheitsbereich sind die Sorgen besonders groß, wie sich am Protest gegen die elektronischen Gesundheitsakte Elga gezeigt hat.


Gut ausgerüstet


Trotz der Schwierigkeiten entwickelte sich die IT im Gesundheitswesen zu einem Milliardengeschäft. In Deutschland werden 2014 rund fünf Milliarden € investiert. In Österreich ist der Markt gesättigt, sagt Alexander Lachowicz, Berater beim IT-Dienstleister T-Systems. Mit der Health-Sparte erwirtschaftete das Unternehmen an die 20 Millionen €."Bei Krankenhäusern werden jetzt IT-Systeme optimiert", sagt Lachowicz und verweist auf Pilotprojekte, um Lösungen für Portale und mobile Endgeräte zu implementieren.







Erschienen im WirtschaftsBlatt

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