2015-04-09

Industrie 4.0: Österreichische Industriebetriebe verstehen nur Bahnhof



Als Trend und Schlagwort ist Industrie 4.0 schon ausgelutscht. Die Vernetzung und die Digitalisierung der Produktion haben in den vergangenen Monaten und Jahren nicht nur die Medien beschäftigt, sondern allen voran die Politik. Es geht um den Standortwettkampf gegen die USA und Asien. Nur die Unternehmen haben davon wenig mitbekommen: Mehr als die Hälfte der österreichischen Industriebetriebe kennen den Begriff nicht.


Kaum ein Schlagwort ist in den vergangenen Monaten so oft strapaziert worden, wie Industrie 4.0. Die Digitalisierung und die Vernetzung von Industriebetrieben bringe die Chance mit sich, den europäischen Produktionsstandort zu sichern, heißt es seitens der Politik. In Österreich wird gemeinsam mit den Sozialpartnern und dem Infrastrukturministerium an einer Plattform gearbeitet, in Deutschland ist das Thema sogar bis ins Bundeskanzleramt vorgedrungen. Nur mit der Modernisierung der Produktion könne man sich gegen Konkurrenz aus Asien und den USA durchsetzen. Denn bei Lohn-, Lohnneben-, oder Energiekosten haben europäische Unternehmen längst den Kürzeren gezogen.

Dem Hype zum Trotz ist Industrie 4.0 in Österreich aber immer noch ein Fremdwort. 53 Prozent können sich unter dem Begriff nichts vorstellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Gallup-Umfrage unter 200 heimischen Industriebetrieben im Auftrag des Automationsunternehmens Festo. 47 Prozent haben zwar bereits etwas über den Begriff und das Konzept gehört, Industrie 4.0 stößt aber auch hier nicht überall auf offenen Ohren. So gab ein Viertel der Befragten an, noch weitere Informationen zu brauchen. Jedes fünfte Unternehmen glaubt, dass es sich nur um einen Hype handle, der wieder vorübergehen wird. Und acht Prozent der Befragten gehen davon aus, dass das Thema Europa weniger betreffe als Asien oder die USA.

Investitionen notwendig

„China und die USA sind bei der Produktion ganz klar auf der Überholspur“, sagt Festo Österreich-Geschäftsführer Rainer Ostermann. Aber angesichts der Umfrage sei er bestürzt. Denn während in anderen Ländern in die Umwandlung der Produktion investiert werde, gebe es hierzulande noch Aufholbedarf. 

Vor allem betrifft das das Thema Ausbildung – einer Grundvoraussetzung zur Modernisierung der Produktion. Laut Umfrage ist die Qualifizierung der Mitarbeiter für heimische Industriebetriebe ein wesentlicher Faktor: Gut ausgebildetes Personal ist bei den Industriebetrieben nicht nur für zusätzliches Wachstum verantwortlich. Qualifikation ist auch einer der wichtigsten Punkte, um Produktionskosten zu senken. Und dennoch wollen aktuell nur noch 36 Prozent der Befragten die Budgets für Ausbildung anheben. 2013 waren es noch 46 Prozent. 

Veränderte Anforderungen

Das könne sich rächen, heißt es von Festo. Denn Industrie 4.0 heiße zwar nicht, wie oft kolportiert, dass Jobs zwangsläufig wegfallen, sondern dass sich Arbeitsprofile verändern. Viele Unternehmen haben aus Angst vor Veränderung darauf aber noch nicht reagiert, sagt Hermann Studnitzka, Leiter der Abteilung Didactic Concepts bei Festo Österreich. 

Dabei lasse sich leicht gegensteuern: Unternehmen dürfen nicht zuwarten oder versuchen die Entwicklung durch zu tauchen. Statt nur auf Fachwissen sollten Unternehmen auch bei der internen Weiterbildung verstärkt auf angewandtes Wissen und Handlungskompetenzen setzen. Zudem braucht es ein strategisches Kompetenzmanagement und eine Überprüfung der Maßnahmen. Nicht zuletzt verschwimmen mit der Industrie 4.0 die Grenzen zwischen physischer und virtueller Welt: Mitarbeiter müssen deshalb in beiden Welten fit sein, sagt Studnitzka.  

Der Text erschien auf WirtschaftsBlatt.at, Foto: c.flickr - poltec Magazin

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