2016-01-27
Peter Lieber: "Software wird zur Überlebensfrage"
- Software ist überall enthalten. Immer weniger Programme werden aber in Österreich hergestellt. Das schade dem Standort, sagt der Verbandschef der heimischen Softwareindustrie (Vösi), Peter Lieber.
- Förderungen laufen in Österreich oft falsch: Anstatt das Mittelmaß zu stärken, gehören Stärken forciert.
- Da es viele Jobs bald nicht mehr gibt, sei eine Wertschöpfungsabgabge gefordert, so Lieber.
Die IT-Branche hat zuletzt deutlich stärker zugelegt als die Gesamtwirtschaft. Wie sieht es in der Softwareindustrie aus?
Peter Lieber: Der Softwaremarkt sinkt in Österreich. Es gibt immer mehr Programme, die nicht hier entwickelt werden. Wir sind somit ein Adaptierungsland. Das heißt nicht, dass gar keine Innovationen stattfinden. Die Objekterkennung für autonomes Fahren ist zum Beispiel eine österreichische Erfindung. Aber das ist die Ausnahme.
Woran liegt das?
Wir haben 35.000 IT-Unternehmen, davon sind 90 Prozent EPU. Nur rund zehn Prozent haben Mitarbeiter. Industrielle Softwareentwicklung geht aber nur mit Mitarbeitern oder mit reproduzierbarer Software. Wir sprechen hier von 200 bis 400 Unternehmen. Auf dem Markt gibt es außerdem großen Druck. Die Bereitschaft, für Programme Geld auszugeben, ist, seit es Apps gratis gibt, gering. Software ist überall enthalten, trotzdem wird die Branche stark unterschätzt.
Bei Smartphones, aber auch bei anderen Geräten wird doch viel Geld ausgegeben. Warum gerade bei Software nicht?
Dinge, die man angreifen kann, kann man auch besser begreifen. Software ist wie Luft, da kann man schwer einen Bezug aufbauen. Das ist zutiefst menschlich. Deshalb gibt es auch den Trend, dass Unternehmen ihre Software in Hardware verstecken. Das macht mittlerweile sogar Microsoft mit seinen eigenen Computern. Wenn sie ein reines Softwareunternehmen wären, hätten sie ein schlechteres Image.
Was bedeuten diese Entwicklungen für den Wirtschaftsstandort?
Am Ende des Tages ist der entscheidende Punkt: Schaffe ich es, die Entwicklungen im Land zu halten, und schaffe ich es, anderen Unternehmen einen Marktvorteil zu bieten? Für Österreich ist das längst eine Überlebensfrage. Wir haben keine Bodenschätze. Nur bei geistigem Know-how haben wir unendliches Wachstumspotenzial.
Aber auch in Österreich hat man die Bedeutung der IT-Branche doch erkannt. Deshalb wurde die Breitbandoffensive gestartet.
Die Breitbandinitiative ist prinzipiell nicht schlecht, sie geht aber in die falsche Richtung. Ganz hart gesprochen fließt nun Geld in Kabel. Es ist eine politische Entscheidung, die gesamte Bevölkerung mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 100 Megabit pro Sekunde zu versorgen. In den Ballungsräumen-also in den Gebieten, wo Technologie auch stattfindet-brauchen wir aber bereits ein Gigabit. Breitband für jeden wird Spitzentechnologie nicht fördern. Das gleiche Dilemma sehen wir ja auch bei den PISA-Tests im Bildungsbereich. Im Durchschnitt schneidet Finnland besser ab, es gibt aber keinen einzigen Nobelpreisträger aus Finnland. Letztlich sollte es doch darum gehen, Talente zu fördern und Stärken zu stärken, statt Nachhilfe für Fächer zu vergeuden, in denen man schlecht ist.
Nun plant die Politik auch eine digitale Agenda. Könnte das nicht einen Impuls bringen?
Der Vösi wird sich einbringen. Ein Problem der digitalen Agenda ist aber, dass alle Stakeholder beteiligt sind. Wenn alle mitreden, wird nur nichts passieren. Irgendjemand ist immer dagegen. Bei dem Versuch, alle an Bord zu holen, werden diejenigen am meisten zu sagen haben, die am lautesten schreien. Schön ist, dass die IT zumindest als Infrastruktur in der Bundesregierung angekommen ist.
Wie ist die Situation in anderen Ländern? An welchen Beispielen sollte sich Österreich orientieren?
Rumänien ist als IT-Standort sehr interessant. Dort gibt es eine Lohnsteuerfreiheit für IT-Berufe. Auf staatliche Initiative erlebt das Land einen enormen Boom bei Softwareentwicklern. Die Branche ist für Arbeitnehmer interessant, da die Löhne höher sind und sie auf Lebenszeit keine Lohnsteuer bezahlen müssen. Damit fördert man Hochtechnologie, lockt Unternehmen ins Land und steigert die Wirtschaft nachhaltig.
Welche Maßnahmen sollten in Österreich getroffen werden?
Ich würde Programmieren bereits in der Volksschule unterrichten. Ich erwarte nicht, dass jeder auch Programmierer wird, sondern, dass man die Grundlagen versteht. Programmiersprachen haben einen Sprachumfang von etwa 20 Wörtern, im Gegensatz zu Deutsch oder Englisch mit bis zu 30.000 Wörtern. Wenn ich als Anwender weiß, wie ich ein Problem oder eine Anforderung beschreibe, dann klappt auch die Kommunikation mit Entwicklern. Außerdem würde ich als Unternehmer gern in Ideen investieren und diese Ausgaben absetzen. Es ist doch eine komische Situation: Wenn eine Idee schiefgeht, ist es ein Privatvergnügen. Klappt es, zahle ich sofort Steuern. Zudem muss die Digitalisierung in einen größeren Diskurs eingebettet sein. Es braucht das Bewusstsein der Bevölkerung.
Die Digitalisierung steht auch deshalb oft in der Kritik, weil sie Arbeitsplätze vernichtet. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Die Softwarebranche ist in dieser Hinsicht sogar eine Art Pionier. Wir erfinden Dinge mit der Ideologie, uns selbst zu ersetzen. Das ist der große Unterschied zwischen Entwicklern und klassischen Supporttechnikern, die Systeme betreiben. Entwickler hingegen arbeiten an Automatismen. Die Branche muss sich deshalb immer neu erfinden, um zu überleben. Die große Frage ist: Womit beschäftigen wir uns in Zukunft, wenn wir nicht nur arbeitslos, sondern auch sinnlos geworden sind?
Womit sollten wir uns beschäftigen?
In Zukunft gibt es 50 Prozent der aktuellen Jobs nicht mehr. Da muss man sich überlegen, wie die Leute zu Geld kommen. Eine Wertschöpfungsabgabe oder alternative Steuermodelle sind gefragt. Um die Jobs, die verschwinden, ist es nicht schade, es werden neue Berufe entstehen. Vor allem wird sich der Arbeitsbegriff verändern müssen. Es wäre gut, wenn es in Richtung Selbstverwirklichung geht.
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